Von Hermann Hering

Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen im Sommer 1945, wurde unser Gebiet von französischen Truppen besetzt. Die Standortkommandantur war in Rennerod im Hotel „Alte Post“ untergebracht. Die dazugehörige französische Telefonvermittlung befand sich u.a. im jetzigen Postamt und die zivile Telefonvermittlung war im zweiten Obergeschoss des Postamtes, der jetzigen Kreissparkasse installiert. In dieser Etage waren auch französische Soldaten einquartiert, über die im Verlauf dieser Abhandlung noch zu berichten ist.

Die Leitungen aus dem Ortsnetz und die Fernleitungen waren zum Teil über Freileitungen, die auf dem Dach des Postamtes über ein Vierer-Dachgestänge zum Hauptverteiler führten oder mittels Ortskabeln, die an dem kleinen Hauptverteiler im Raum der Vermittlungsstelle mit Hilfe von Sicherungsleisten zu 70 Doppeladern (Fa. Zwietusch) abgeschlossen waren. Insgesamt waren etwa 700 bis 800 Doppeladern am Hauptverteiler abgeschlossen.

Die Fernsprechvermittlung bestand aus einem  Vielfach-Klappenschrank vom Typ OB 02/13. Diesen hatten Soldaten, deren Nationalität von uns nicht mehr festgestellt werden konnte, geöffnet und das gesamte Innenleben mit Werkzeugen  bearbeitet und unbrauchbar gemacht. Die Verdrahtung und ein Teil der Klinken,- Klappen und Schauzeichenstreifen waren zerstört.

 A. Göbel und ich wurden beauftragt zu versuchen denselben wieder in gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen. Da uns kein geeigneter Draht zur Verfügung stand, suchten und fanden wir Kabelreste mit baumwollisolierten und  gelackten Kabeladern. Wir hatten einige Tage zu tun, bis wir die erforderliche Drahtmenge aus dem Schrott gerettet hatten.

Mit Hilfe von  Trümmerbrettern, die von den im Bombenangriff zerstörten Häusern noch herumlagen, verrosteten Nägeln, die wir erst noch richten mussten und Wurstkordel stellten wir dann die Kabelbäume her, die für die Instandsetzung des Klappenschrankes notwendig waren.

BBz-Histo-01Der Klappenschrank vom Typ OB (Ortsbatterie) 02/13 war für Orts-Vermittlungsstellen  vorgesehen und hatte bei Regelausstattung bis zu 200  Anschlussmöglichkeiten für Sprechstellen. Die Klinkenstreifen zu 20 Klinken mit den darüber liegenden Schauzeichenstreifen und den dazugehörigen Klappenstreifen mit ebenfalls zwanzig Klappen waren in zwei Paneelen eingebaut. Bei größeren Vermittlungsstellen mit mehreren Klappenschränken war über den schon beschriebenen Anrufeinheiten genügend  Raum  für das Vielfachfeld vorhanden. Als Stromversorgung dienten einige Zink-Kohle-Elemente für die Speisung der Mikrophone und der Schauzeichen. Für den Betrieb des Polwechslers (Gerät zum Erzeugen des erforderlichen Rufstromes) war eine kleiner 12 V Akku mit geringer Kapazität vorhanden, der von einem Röhren Gleichrichter gespeist wurde.

Beim Teilnehmer befand sich ein Batteriekasten, indem  ebenfalls ein Zink- Kohle-Element (1,5 V) zur Speisung des Mikrophons stand und mit dem Telefon verbunden war.

Der Klappenschrank war schon mit selbsttätigem Schlusszeichen ausgestattet. Das war   ein Schauzeichen über der dazugehörigen Klinke, dass bei Beendigung des Gespräches ansprach und dem Vermittlungsbeamten anzeigte, das der Teilnehmer nach Beendigung des Gespräches den Hörer aufgelegt hatte. Die Verbindung vom anrufenden Teilnehmer zum anzurufenden Teilnehmer erfolgte mit Hilfe von Schnurpaaren und den dazugehörigen  Hebelschaltern.

Die Fernleitungen waren auf besonderen Anrufeinheiten für Fernleitungen geschaltet, deren Anrufklappen größer waren und über ein Topfrelais sensibel  ansprachen.

Von der Vermittlungsstelle zum Teilnehmer oder auch zu den Fernämtern in Marienberg, Limburg, Siegen und Dillenburg wurde mit Hilfe eines Polwechslers gerufen. Erst einige Jahre später haben wir den Polwechsler gegen eine Rufmaschine ausgewechselt.  Die Gesprächsdauer der Ferngespräche wurde mit Hilfe von Gesprächszeituhren gemessen, die auch sehr antiquarisch aussahen.

 Im Obergeschoss des Postamtes waren Senegalneger einquartiert, die ihre Notdurft in einer Ecke des Nachbarzimmers verrichteten, ihren Hintern abputzten und ihr Geschäft ordentlich zudeckten, dies taten sie mit den Akten des Postamtes, dessen Registratur in einem anderen Zimmer war. Da wir den Dreck nicht selber entfernen, aber andererseits auch die Schweinerei und den Geruch nicht länger dulden wollten, meldeten wir es dem für das Nachrichtenwesen zuständigen Offizier der französischen Kommandantur, der unverzüglich dafür sorgte, dass der Raum gereinigt wurde. Dabei sahen wir, dass der Umgang der französischen Vorgesetzten mit ihren schwarzen Soldaten recht rüde war. Die Reitgerten der Offiziere waren nicht nur zum Zeitvertreib da.

Der Offizier war uns verpflichtet, weil wir die Vermittlungsstelle des französischen Standortes (ebenfalls aus deutschen, kleineren Klappenschränken bestehend) nach Störungen, schon des Öfteren wieder in betriebsbereiten Zustand versetzen konnten.

Die Senegals, fortan tagsüber unsere Nachbarn, entpuppten sich als gutmütige Menschen, die sich freuten, wenn wir sie morgens mit Handschlag begrüßten. A. konnte es besonders gut mit ihnen. Er ging ins Nachbarzimmer und fragte nach Tabak, die Senegals reichten ihm ein Päckchen mit zu einem Würfel gepresstem Tabak, aus dem er sich eine Pfeife vollstopfte. Er stopfte aber viel an der Tabakpfeife vorbei in die Hand, so dass wir immer genügend Tabak hatten, um rauchen zu können.

Auch waren ihre Besuche bei uns im Zimmer, um die Arbeit an den Drahtformen für die Reparatur des Klappenschrankes zu bewundern, immer mit einem Nachladen unseres Tabakvorrates verbunden.

Wir konnten die Vermittlung nach etwa vier Wochen Arbeit mit ca. 150 Anschlussmöglichkeiten wieder in Betrieb nehmen.

Telefonanschluss bekamen nach der Antragstellung und der Genehmigung durch die Französische Militärregierung damals nur die Ärzte, die Bürgermeister, die Pfarrer sowie die Poststellen auf den Dörfern. Erst später kamen zögernd noch einige Telefonanschlüsse für Geschäftsleute hinzu.

Der Klappenschrank wurde abwechselnd bedient von den Männern  Otto, Karl, Georg und noch einige andere, die später hinzugekommen sind.

Es konnte vorkommen, dass ein Teilnehmer auf seine Anrufbemühungen keine Antwort bekam, weil Otto mal eben nach seinem in der Nähe befindlichen Anwesen gegangen war, um einer seiner Kühe beim Kalben zu helfen.

Die Poststellen waren mit sogenannten „Sp“ Leitungen an die Vermittlungsstelle angeschlossen. Mit einer Doppelleitung waren bei diesem System mehrere „Öffentliche Sprechstellen“ mit Rennerod verbunden. So war Pottum, Hellenhahn und Schellenberg zusammen auf eine Doppelleitung geschaltet. Gerufen wurde durch drehen mit der Kurbel des Kurbelinduktors im Morserhythmus. So wurde Rennerod mit dem Zeichen für den Buchstaben „R“ = kurz-lang-kurz gerufen. Hellenhahn mit dem Zeichen für „H“ = kurz-kurz-kurz-kurz und Schellenberg mit dem Morsezeichen für den Buchstaben „S“ = kurz-kurz-kurz. Das funktionierte vorzüglich.

Alle Öffentlichen der Lasterbach Gemeinden einschließlich Hofgut Krempel waren ebenso über eine Doppelleitung mit der Vermittlung in Rennerod verbunden. Dabei konnten alle auf der sogenannten „Sp“ Leitung geführten Gespräche von allen an die „Sp“ Linie angeschlossenen Öffentlichen Sprechstellen mitgehört werden.

Nicht selten mischte sich dann auch noch der auf der Vermittlungsstelle sitzende Mann (der Klappenschrank wurde in der ersten Nachkriegszeit nur von Männern bedient) in die Konferenz ein, oder er sagte unwirsch „mach dass Du aus der Leitung kommst, ich brauche mal dringend die Öffentliche in----------.

Die Orte Irmtraut und Neunkirchen, gehörten in normalen Zeiten zum Ortsnetz Langendernbach. Da beide Ortschaften aber jetzt zur französischen Besatzungszone gehörten und Langendernbach in der amerikanischen Zone verblieb, wurden diese Ortschaften über Freileitungen an das Ortsnetz Rennerod angeschlossen. Wir hatten zu diesem Zweck eine oberirdische Linie von Irmtraut nach Neunkirchen umgebaut. Da keine Bronzeleitungen verfügbar waren, nahmen wir „Aldrey“ Draht, der in ausreichender Menge in der Scheune des Postamtes Rennerod lagerte.

Aldrey war eine Legierung aus Aluminium, Silizium und Magnesium. Die Leitfähigkeit von Aldrey war natürlich schlechter als die Leitfähigkeit von Bronze. Deshalb hatten die Aldrey-Leitungen mehr als doppelten Durchmesser wie vergleichbare Bronzeleitungen. Außerdem erforderte Aldrey besonders vorsichtige Behandlung beim Aufbringen der Leitungen auf die Linie, da Aldrey sehr korrosionsanfällig war. Aus diesem Grund waren die Drähte auch eingefettet.

Beim Binden der Leitungen an die Isolatoren mussten natürlich Alu-Bindedrähte benutzt werden und im Bindungsbereich ein zweiter Draht beigepackt werden, damit die Leitungsschwingungen keine Materialermüdung hervorrufen konnten. Einen Meter Aldrey- Draht konnte man mit zwei Mann leicht um zehn Zentimeter länger ziehen.

Wenn ein Baum auf eine Linie mit Aldreyleitungen fiel, rissen dieselben nicht, sondern gaben in der Länge nach und gingen mit dem Baum zu Boden. Bei dem OB-Betrieb der  Renneroder Telefonvermittlung konnte es daher vorkommen, dass trotz vorhandener Sturmschäden an der Telefonlinie nach Neunkirchen die Sprechstellen noch betriebsbereit waren.

V. B. war aus amerikanischer Gefangenschaft, die er in Westfrankreich verbrachte, heimgekehrt. Als Gefangener war er bei einer amerikanischen Nachschub Einheit als Kraftfahrer eingesetzt. Valentin fuhr mit seinen Kameraden durch ganz Europa zu den amerikanischen Truppenteilen um diese mit Nachschubgütern zu versorgen. Bei einer passenden Gelegenheit, kam er einige Wochen vor seiner Entlassung aus der Gefangenschaft mit einem schweren Truck nach Rennerod gefahren, um seine Eltern zu besuchen.

Valentin hatte in der Gefangenschaft mit seinen Kameraden alle Möglichkeiten Sachen zu organisieren. So kam er nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft gut ausgestattet zurück in die Heimat. Er war mit nagelneuen amerikanischen Uniformen und Wäschestücken ausgerüstet. Damals war der amerikanische Parka das Beste was man diesbezüglich haben konnte. Valentins Parka wurde, nachdem er gefärbt war, von jedem Bautrupp Angehörigen mal ausgeliehen, um sich darin fotografieren zu lassen.

Es war, nachträglich betrachtet, eine schöne Zeit beim Bautrupp in Rennerod. Im Bautrupp befanden sich viele Sänger wie Christian Seelbach, Werner Hering, Christoph Hering, Ewald Wehler, Valentin Brunner u.a. Es blieb nicht aus, dass sich innerhalb des Bautrupps ein Chor bildete, der später sogar bei Personalversammlungen u.ä. seine Vorträge zum Besten gab und immer mit reichem Beifall bedacht wurde.

Die o. beschriebene Handvermittlung wurde 1947 in das  gegenüberliegende „Postgebäude“ verlegt. 1955/56 begann die Umstellung des Ortsnetzes auf Zentralbatteriebetrieb. Die Voraussetzungen hierfür wurden durch den Einbau eines Glühlampen- Vermittlungsschrankes und einer Zentralbatterie im Gebäude des Bautrupps geschaffen. 1957 wurde dann endlich eine Wählvermittlung in Betrieb genommen, die in der ersten Etage des Postamtes eingebaut wurde.

Etwa um diese Zeit wurde auch die typgleiche Handvermittlung aus dem alten Postamt Hachenburg in das neue Postamt verlegt. Auch hier wurden  für eine Übergangszeit noch Glühlampenschränke eingesetzt, bis die  Wählvermittlung in dem neuen Gebäude fertiggestellt war.

 

Klappenschränke, ähnlich wie der abgebildete Klappenschrank ZB 21, waren bis in die fünfziger Jahre in den Telefonvermittlungsstellen Rennerod und Hachenburg eingesetzt.

Die Telefon Vermittlungsstelle in Rennerod  nach dem zweiten Weltkrieg